SPD Ortsverein Gevelsberg informierte über die Pflegesituation im Ennepe-Ruhr-Kreis
Es ging um ein Thema, das, wie es die Vorsitzende des SPD Ortsvereins Elke Kramer bereits in ihrer Begrüßung deutlich machte, uns alle plötzlich treffen kann: Pflegebedürftigkeit. Ohne Rücksicht auf das Alter oder auf die bisherige Lebenssituation wird man plötzlich vor die Frage gestellt, was uns im Falle der eigenen Pflegebedürftigkeit oder der eines nahen Angehörigen erwartet: Ist die Pflege zu Hause überhaupt zu leisten? Gibt es genügend ambulante Angebote? Welche Möglichkeiten bieten sich, in Gevelsberg oder im Ennepe-Ruhr-Kreis stationär aufgenommen zu werden und wer leistet dafür die notwendige Beratung und Unterstützung?
Um auf diese Fragen Antworten zu geben, war in der AWO-Werkstatt für Menschen mit Behinderungen in Asbeck auf Einladung des Ortsvereins eine kompetente Runde zusammengekommen: Bernd Biewald und Elke Zeller, Heimaufsicht, Pflegemanagement und Gesundheitsplanung des Ennepe-Ruhr-Kreises, Christina Bösken und Daniel Berenbruch, Leitung der Spezialpflegeeinrichtungen der Ev. Stiftung Volmarstein, Esther Berg, ambulante Pflege der AWO Ennepe-Ruhr und Daniela Alze, Senioren-und Pflegebüro der Stadt Gevelsberg.
Zunächst stellte Martin Schneider, Hausherr der Einrichtung in Asbeck, die Arbeit des Werkstattverbundes der AWO für Menschen mit Behinderung dar: „Wir bieten in unseren Werkstätten die Möglichkeit, eine Beschäftigung zu finden, die den persönlichen Fähigkeiten unserer Mitarbeiter entspricht. Wir produzieren, bieten Dienstleistungen an und nehmen dabei eine besondere soziale Funktion wahr.“ Bereichsleiter Martin Schneider beschrieb unter anderem die Werkstätten in Asbeck, in der Stefansbecke und in Sprockhövel, die in sehr unterschiedlichen Bereichen Beschäftigungsmöglichkeiten für Menschen mit Behinderung bieten. Kritik übte Martin Schneider in diesem Zusammenhang am Bundesteilhabegesetz. Dieses müsse wesentlich verbessert werden, um Menschen mit Behinderungen an der Gesellschaft wirklich teilhaben zu lassen.
Den Einstieg in das Thema „Pflegesituation im Ennepe-Ruhr-Kreis“ fanden danach Bernd Biewald und Elke Zeller. Sie zeigten die aktuelle Situation der stationären, teilstationären und ambulanten Pflege im Ennepe-Ruhr-Kreis anhand von Grafiken, Statistiken und Zahlen auf. Diese bestätigen, dass sich auch im EN-Kreis die Zahl der Pflegebedürftigen in den nächsten zehn Jahren erhöhen wird. Durch die Pflegereform, die den stationären Einrichtungen bauliche Veränderungen auferlegt habe, ist die Anzahl der Plätze zwar zunächst gesunken. In der Mehrzahl ist es den Trägen jedoch gelungen, ihre Einrichtungen trotz notwendiger Umbauten zu erhalten. Auch die Entwicklung der Wohngemeinschaften für Demenzerkrankte und Menschen mit Behinderungen ist positiv. Mehrere Tageseinrichtungen sind in der Planung oder stehen kurz vor der Fertigstellung. Der Pflegebericht, der alle zwei Jahre fortzuschreiben ist, belegt, dass die häusliche Pflege, überwiegend durch Angehörige, einen hohen Stellenwert einnimmt. Ob dieses jedoch so bleibt, ist angesichts veränderter Familienkonstellationen schwer abzuschätzen.
Diese Ausführungen wurden ergänzt durch die Beiträge von Christina Bösken und Daniel Berenbruch, beide innerhalb der Ev. Stiftung Volmarstein verantwortlich für zwei Spezialpflegeeinrichtungen für schwerstmehrfach behinderte Pflegebedürftige. Bis heute, so Christina Bösken, gibt es in NRW keinen verbindlichen Personalschlüssel. Wie viel Personal künftig zur Verfügung stehen muss, wie viele Fachkräfte, wie viele Hilfskräfte, ist daher für die Träger kaum zu kalkulieren. Dem entsprechend unsicher sind die Beschäftigungsverhältnisse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Träger sind darauf angewiesen, für Leistungen, die erbracht werden, auch die entsprechende Vergütung zu erhalten. Dabei gibt es Leistungen, die bisher in keiner Weise vergütet werden, wie etwa die Rüstzeiten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Was in anderen Bereichen zu einer Anhebung der Stellenanzahl führt, bleibt im Pflegebereich unberücksichtigt. Es gibt viele Teilzeitbeschäftigte, ohne die der Dienstalltag im Drei Schicht-Betrieb allerdings auch nicht zu bewältigen ist. Durch die vorgeschriebenen, akribischen Dokumentationen muss sehr viel Zeit aufgewendet werden.
Nachwuchs ist unter diesen Bedingungen kaum zu finden, auch die Zuwanderung bietet hier derzeit noch keine Perspektive.
Esther Berg, AWO Ennepe-Ruhr, beleuchtete einige weitere Aspekte der Pflegeberufe: Es herrscht ein akuter Fachkräftemangel. 87 % der Beschäftigten sind weiblich, 69 % teilzeitbeschäftigt. 38 % der Beschäftigten sind älter als 50 Jahre. Durch Teilzeitarbeit wird man zwar den Wünschen der Mitarbeiterinnen gerecht, dies führt jedoch zur Unterversorgung im Alter. Die Kinderbetreuungsangebote sind derzeit nicht darauf ausgerichtet, dass Eltern im Schichtbetrieb oder am Wochenende arbeiten müssen. Hier muss es bessere Modelle geben. Insgesamt ist die Situation unbefriedigend, die Pflegeberufe sind trotz hoher Qualifizierung mit einem schlechten Image behaftet. Freiwerdende Stellen können nicht oder erst nach geraumer Zeit wiederbesetzt werden. Es fehlen ein einheitlicher Branchentarifvertrag, der Erhalt und Ausbau von niederschwelligen Einstiegsmöglichkeiten, bessere Aufstiegschancen, ein verbindlicher Personalschlüssel und ein verbesserter Arbeitsschutz. Leider hat das Thema Pflege im Bundestagswahlkampf keine Rolle gespielt. Die Politik muss sich dieser Fragen jedoch dringend annehmen und die gesetzlichen Regelungen nachbessern.
Elke Kramer richtete dann die Frage an Daniela Alze, mit welchen Anliegen die Pflegebedürftigen und deren Angehörige zu ihr ins Senioren- und Pflegebüro der Stadt Gevelsberg kommen. Daniela Alze führte aus, dass sie das Gefühl hat, dass dieser Personenkreis von den Pflegekassen sehr allein gelassen wird. Zur Einstufung in die neuen Pflegegrade gibt es 65 Punkte, die nach einem gewissen Schema abgefragt werden. Welche Bedeutung die anschließende Auswertung hat und auf welche Leistungen danach ein Anspruch besteht, darüber wird nicht ausreichend informiert. Die meisten ihrer Klienten, so Daniela Alze, hätten bis zum Eintritt der Pflegebedürftigkeit mit solchen Fragen nichts zu tun gehabt. Dem entsprechend groß sei die Ratlosigkeit. Also müsse das Pflegebüro mit Rat und Tat zur Seite stehen, obwohl dies keine kommunale Aufgabe im eigentlichen Sinne ist. Mit der Pflegereform habe die Einrichtung von Pflegestützpunkten einhergehen sollen, was jedoch nicht eingetreten sei, da man auf die bestehenden kommunalen Beratungsbüros zurückgegriffen habe.
Die Gäste dieses Abends hatten dann noch einige Fragen, die vom Expertenteam beantwortet wurden. Fazit des Abends blieb, dass bei der Pflegeversicherung als eine der Säulen des deutschen Sozialversicherungssystems noch manches reformbedürftig ist, um auch in Zukunft eine qualitativ gute und ausreichende Pflege für alle zu gewährleisten. Der SPD Ortsverein wird sich mit der Auswertung der erhaltenen Informationen noch näher befassen und diese in seine politische Arbeit einfließen lassen.